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Erschöpfte Mütter, ausgebrannte Väter

Burnout im Kinderzimmer. Nicht nur Manager, auch Eltern leiden unter Er­schöpfungsdepressionen. Prof. Dr. med. Cattapan, stv. Ärztliche Direktorin am Sanatorium Kilchberg, erklärt die Gründe und was dagegen hilft.

07. März 2022

Erschöpfte Mütter, ausgebrannte Väter

Ein Burnout gilt als eine arbeitsbedingte Krankheit. Tatsächlich ist diese oft der Auslöser für eine Erschöpfungsdepression. Aber
auch Personen mit hohem sozialem Engagement können ausbrennen.

Dass auch Mütter und Väter wegen chronischer Stressfaktoren an einem Burnout erkranken können, wissen viele nicht. Die Entwicklung eines Burnouts wird in verschiedene Phasen unterteilt. In der ersten steht häufig die Erschöpfung. Daraus kann sich eine emotionale Distanz zu den eigenen Kindern entwickeln. Neben Gereiztheit und zunehmendem Erziehungsfrust haben Mütter und Väter oft das Gefühl, ihrem Selbstbild als Eltern nicht mehr gerecht zu werden. Dazu kommen in vielen Fällen Versagens- und Schuldgefühle. Wer diesen Stress nicht richtig verarbeiten kann, entwickelt häufig körperliche und psychosomatische Beschwerden wie Schlafstörungen.

Ein unbehandeltes Eltern-Burnout kann zu einer Depression oder Angststörung führen. Sogar Flucht- und Suizidgedanken kommen vor. Aufgrund von Differenzen in Erziehungsfragen können Paarkonflikte entstehen. Im schlimmsten Fall vernachlässigen Eltern dann ihre Kinder oder werden gewalttätig.

Die Besonderheit eines Eltern-Burnout ist, dass es oft mit einem idealisierten Bild von Elternschaft beginnt, das sich aufgrund von Überforderung zunehmend in ein Horrorszenario verwandelt, für das sich die Betroffenen schämen. Im Unterschied zum Beruf besteht Elternschaft aus 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche, und man kann sie nicht kündigen. Deshalb wird ein Eltern-Burnout von vielen als eine ausweglose Situation erlebt.

«Die Elternschaft kann man nicht kündigen.»

Forschende benennen unterschiedliche gesellschaftliche Faktoren, die im Zusammenhang mit einem Eltern-Burnout stehen. Dazu gehören die hohen Erwartungen, die von der Gesellschaft an Eltern und ihre Erziehungskompetenzen gestellt werden, um ihren Kindern bestmögliche Bildungs- und Karrierechancen zu ermöglichen. Zugleich sind Familienmodelle im Umbruch: Es gibt in den letzten 40 Jahren eine drastische Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen. Diese Veränderungen haben zur Folge, dass für die Care-Arbeiten wie Kindererziehung und Haushaltsführung weniger Zeit bleibt.

Auch die Aufgabenverteilung zwischen Müttern und Vätern ist im Wandel, oft nicht zufriedenstellend geregelt. Soziale Netze, die in Grossfamilien üblich sind und die Eltern bei der Erziehung entlasten, werden seltener. Privat- und Berufsleben sind, bedingt durch die Digitalisierung, bei vielen Familien weniger getrennt als früher. Insbesondere in der Pandemie hat die Homeoffice-Tätigkeit diese Verschmelzung zwischen Arbeit und Privatem noch verstärkt.

Sowohl Frauen als auch Männer können an einem Eltern-Burnout erkranken. In modernen westlichen Ländern sind etwa doppelt
so viele Frauen im Vergleich zu Männern betroffen. Der Grund ist, dass die verinnerlichten Normen der Mutterrolle in der Regel deutlich ausgeprägter sind und Frauen deshalb, trotz ihrer Berufstätigkeit, mehr häusliche Aufgaben übernehmen. Alleinerziehende haben ein besonders hohes Risiko. Ebenso Eltern mit Kleinkindern, mehreren Kindern oder mit Kindern, die wegen spezifischer Verhaltensweisen, chronischer Erkrankungen oder Behinderungen erhöhte Anforderungen an die Erziehung stellen.

Das Hauptrisiko sind jedoch nicht demografische Faktoren wie Geschlecht oder Berufstätigkeit, sondern Persönlichkeitseigenschaften. Besonders hoch ist das Risiko bei perfektionistischen Müttern und Vätern, die sich selbst und ihre Kinder mit ihren hohen Ansprüchen unter Druck setzen. Ihnen fehlt die Flexibilität, den oft unvorhersehbaren Alltag mit Kindern entspannt zu meistern. Mangelnde Fähigkeiten im Umgang mit Emotionen und Stresssituationen sind weitere Risikofaktoren.

Auch die Erziehungsstile spielen eine Rolle. Eltern mit inkonsequentem Erziehungsverhalten geraten leichter in ein Burnout. Ein beson-
derer Risikofaktor ist die mangelnde Qualität der Paarbeziehung, vor allem wenn sich die Partner in schwierigen Erziehungssituationen nicht ausreichend voneinander anerkannt oder unterstützt fühlen.

«Das Hauptrisiko sind Persönlichkeitseigenschaften.»

Es ist hilfreich, wenn das Familienleben organisiert ist, Routinen und Strukturen hat. Paare sollten ihre Beziehung pflegen, genügend Pausen ins Familienleben einbauen und sich nicht schämen, um Unterstützung zu bitten.

Ein wesentlicher Schutzfaktor ist die quality time. Das bedeutet, dass Eltern nicht nur im Funktionsmodus sind, sondern sich ganz ihren Kindern widmen. Je nach Alter des Kindes gehören Kuscheln, gemeinsame Spiele, Vorlesen, Spaziergänge, Gespräche oder genussvolle gemeinsame Mahlzeiten dazu. Diese feinfühligen Begegnungen reduzieren auf beiden Seiten die Stresshormone und fördern eine gute Bindung. Gerade in der frühen Kindheit ist ein sicherer Bindungsstil die Grundlage für eine gesunde Entwicklung des Kindes und fördert den Familienzusammenhalt.

Damit Eltern ständigen Stress reduzieren können, gibt es zahlreiche Veränderungsmöglichkeiten. Dazu gehört vor allem, eigene Mus-
ter und verinnerlichte Normen zu erkennen und sie gezielt zu verändern. Hilfreich ist auch, wenn Eltern ihr ideales Mutter- oder Vater-Bild mit Rückblick auf die eigene Lebensgeschichte überdenken. Oft haben Eltern Ansprüche an sich, die mit ihrer aktuellen Lebenssituation nur schwer zu vereinbaren sind. Zum Beispiel, wenn eine berufstätige Mutter ihre eigene Mutter zum Vorbild nimmt, die sich noch ausschliesslich dem Haushalt und der Erziehung widmen konnte.

Erleben Eltern das Familiensystem als stressvoll, können sie es verbessern, indem sie ihre Partnerschaft pflegen. Dazu gehört auch, die Haltungen in Erziehungsfragen zu klären, um sich gegenseitig zu unterstützen und nicht gegeneinander auszuspielen.

Neben der quality time mit dem Kind brauchen Väter und Mütter auch Eigenzeit, in der sie auftanken und persönlichen Interessen und Freundschaften nachkommen können. Zur Stressregulation helfen Methoden der Achtsamkeit und der Entspannung.

Es hilft, eigene Muster und Ansprüche an sich und das Kind kritisch zu hinterfragen. Ein Alarmsignal ist, wenn die emotionale Distanz
zum Kind ein Dauerzustand wird. Anhaltende Entfremdungsgefühle sind Vorboten einer beginnenden Depression. Kommen weitere Beschwerden hinzu, rate ich, sich professionelle psychotherapeutische Hilfe zu holen. Emotionale Instabilität und mangelnde Fähigkeiten im Umgang mit Stressoren sind oft Symptome einer psychischen Grunderkrankung wie zum Beispiel eine Trauma-, Angst- oder Persönlichkeitsstörung. Eine Behandlung ist nicht nur für einen selber sinnvoll, sondern auch, um den Herausforderungen von Elternschaft und Familie langfristig gewachsen zu sein.

Prof. Dr. med. Katja Cattapan

Prof. Dr. med. Katja Cattapan

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